Andrej Holm zu Gast beim Freiburger Mietenbündnis
Etwa 150 Menschen folgten am Samstag den 13.01.2024 der Einladung des Freiburger Mietenbündnis in den Veranstaltungssaal des Gewerkschaftshauses – der Anlass: Dr. Andrej Holm, international anerkannter Stadtsoziologe an der HU Berlin, referierte hier über Mietenwahnsinn, Wohnungsnot und die kapitalistische Wohnungspolitik. Der Vortrag, welcher aufgrund von Anreiseschwierigkeiten mit der Bahn vom Vortag verschoben wurde, stieß bei beiden Anläufen auf großes Interesse. Die Besucher:innenzahlen sowie die zahlreichen interessierten Nachfragen in der an den Vortrag anschließenden Diskussionsrunde zeigten den Veranstalter:innen deutlich, wie viele Menschen in Freiburg und darüber hinaus das Thema der steigenden Mieten beschäftigt.
In seinem Vortrag gelang es Andrej Holm bestens, die teilweise sehr komplexen rechtlichen und politischen Fragen des Wohnungsmarktes herunterzubrechen und Zusammenhänge für alle nachvollziehbar zu erklären. Holms Einstieg bildete eine Bestandsaufnahme. Bei dieser wurden nicht nur aktuelle Entwicklungen und ihre Auswirkungen, wie etwa das Auseinanderklaffen zwischen den Bestands- und Neuvermietungsmieten skizziert, sondern auch grundsätzliche Prozesse des kapitalistischen Wohnungsmarktes anschaulich erklärt – darunter etwa die Zusammenhänge zwischen steigenden Mieten, Grundstückspreisen und der Spekulation mit Immobilien.
Bald machte Holm auch deutlich, wie unterschiedlich stark Menschen mit verschiedenen Einkommen von den Entwicklungen eines scheiternden Wohnungsmarktes betroffen sind. So wird das marktwirtschaftlich organisierte Wohnen vor allem für viele ärmere Haushalte, in welchen Erfahrungen von Gentrifizierung, Verdrängung und drohender Obdachlosigkeit zum Alltag gehören, immer unerträglicher. In diesem Kontext wird sehr deutlich, dass die Wohnungsfrage längst zu einer zentralen Klassenfrage geworden ist.
Interessant für den Lokalbezug wurde es vor allem bei Holms Ausführungen zu den kommunalpolitischen Instrumenten, also den Möglichkeiten von Städten und Gemeinden, die Entwicklungen des Wohnungsmarktes und dessen Auswirkungen zu regulieren. Hier wurden unterschiedliche Ansätze vorgestellt, welche teilweise auch in Freiburg bereits angewendet werden. Zu Denken gab Holms Fazit zu diesen Regulierungsmöglichkeiten: Die einzige Regelung, welche kurzzeitig dazu geführt hätte, dass Mieten nicht weiter angestiegen wären, sei der Berliner Mietendeckel gewesen und auch dieser wurde kurze Zeit nach seiner Einführung vom Bundesverfassungsgericht wieder gekippt.
Ist die aktuelle Wohnungspolitik also alternativlos? Keinesfalls. Andrej Holm stellte im weiteren Verlauf des Vortrags unterschiedliche internationale Beispiele von Wohnungspolitik vor, bei welchen soziale Fragen vorrangig zu den privaten Profitinteressen behandelt wurden. Diese Beispiele hatten die Tendenz gemeinsam, Wohnungen als soziale Infrastruktur zu verstehen, in welcher das Wohnen als Zuhause im Gegensatz zum Wohnen als Immobilie im Vordergrund stand. Historische Beispiele, wie die Wohnungsprogramme des „roten Wiens“ der 1920er Jahre, zeigten deutlich, dass eine soziale Wohnungspolitik keine weit entfernte Utopie ist, sondern bereits in unterschiedlichen Ländern und Epochen praktiziert wurde. Klar wurde im Vortrag auch, dass in einem kapitalistischen Wohnungsmarkt alle sozialen Belange immer gegen private Profitinteressen durchgesetzt werden müssen. Für diese Wohnungskämpfe gilt es in Zukunft, Mehrheiten zu organisieren, denn im Interesse der proletarischen Mehrheit liegt die aktuelle Wohnungspolitik schon lange nicht mehr. Andrej Holms Vortrag lieferte für diese Kämpfe wichtige theoretische Grundlagen – wir freuen uns schon auf den nächsten Besuch in Freiburg.