Die AfD hetzt, die Ampel schiebt ab

In der Nacht vom 15. auf den 16. Mai haben wir anlässlich der am 9. Juni 2024 stattfindenden Europa-, Gemeinderats- und Ortschaftsratswahlen im gesamten Freiburger Stadtgebiet Plakate in Leuchtreklamekästen aufgehängt. Die Plakate ähneln stark den aktuellen AfD-Wahlplakaten, doch auf den zweiten Blick ist erkennbar, dass statt der aktuell überall präsenten Wahlwerbung Plakate aufgehängt wurden, die mit dem Slogan „Die AfD hetzt, die Ampel schiebt ab – Zwei Seiten derselben Medaille“ nicht nur auf die rechten Inhalte der AfD, sondern auch auf die der Regierungsparteien aufmerksam machen soll.

Am 9. Juni 2024 finden in Freiburg die Europa-, die Gemeinderats- und die Ortschaftsratswahlen statt. Der derzeitige Wahlkampf steht im Zeichen einer Radikalisierung und Normalisierung der extremen Rechten in Deutschland und Europa. Parteien wie die AfD sind auf einem historischen Höhenflug, der öffentliche Diskurs wird immer enthemmter und rechte Gewalt nimmt zu. Erst vor wenigen Monaten wurden Verstrickungen zwischen AfD, Werteunion sowie CDU/CSU bezüglich konkreter Deportationspläne aufgedeckt. Die öffentliche Empörung darüber war jedoch so groß, dass innerhalb weniger Wochen bundesweit über eine Million Menschen auf die Straße gingen. Heute versuchen viele Parteien die damit erfolgte Sensibilisierung für das Erstarken der Rechten in Wahlerfolge umzumünzen. So nutzen beispielsweise die Grünen auf ihren Plakaten Bilder der Großdemonstrationen oder rufen mit dem Slogan „Mach Nazis ein Kreuz durch die Rechnung“ zur Wahl für ihre Partei auf.

Während sich immer wieder Politiker:innen der Landes- und Bundesregierungen an die Spitze dieses inszenierten Kampfes für die Demokratie stellen, setzen ebendiese gleichzeitig eine aggressive Politik gegen Migrant:innen und immer weitere Angriffe auf die Rechte und die Lebensgrundlagen von uns Lohnabhängigen durch. Die Forderungen der AfD unterscheiden sich häufig nur in Härte und Wortwahl von der Politik der Ampel. Das sogenannte „Rückführungverbesserungsabkommen“ ist hierfür das naheliegendeste Beispiel: Wenige Tage, nachdem die Deportationsfantasien von AfD und Co. an die Öffentlichkeit gerieten, verabschiedete die Bundesregierung ein Gesetz, das einen massiven Eingriff in die ohnehin schon eingeschränkten Grundrechte von Geflüchteten darstellt. Im Gegensatz zur AfD braucht die Bundesregierung kein Geheimtreffen, um die massenhafte Entrechtung von Menschen zu diskutieren und rassistische Politik konkret umzusetzen.

Als Rechtfertigung für das Einnehmen rechter Positionen wird oft angeführt, dass man Wähler:innen nicht an die AfD verlieren möchte oder in schwierigen Regierungszeiten Kompromisse eingehen muss. Tatsächlich werden rechte Ideologien aktiv gesellschaftsfähig gemacht, da die aktuelle Krise auch eine Legitimationskrise der aktuellen neoliberalen Politik darstellt. Sozialabbau und Kürzungen in Infrastruktur, Bildung oder Kultur bei gleichzeitigen Steuersenkungen für Großkonzerne und einem beispiellosen Aufrüstungsprojekt – eine Verschiebung des Diskurses von sozialen Widersprüchen hin zu Sündenbockmechanismen kommt gelegen. Es ist offensichtlich, dass die bürgerlichen Parteien keinen ernsthaften Kampf gegen faschistische Kräfte und den Rechtsruck unterstützen wollen und können. Die offene und antirassistische Gesellschaft, die wir mit ihnen gegen die AfD verteidigen sollen, ist eine Illusion. Deportationen, rassistische Polizeigewalt und das Morden an der EU-Außengrenze sind bereits Realität.

Im Kampf gegen die aufkommende rechte Welle ist es wichtig, auf die Straße zu gehen und ebenso wichtig, etwas gegen die Wahlerfolge der AfD zu unternehmen. Um diese Welle zu stoppen, reicht es jedoch nicht aus, alle paar Jahre nicht die AfD zu wählen – wir müssen eine echte Perspektive jenseits von Unterdrückung, Ausbeutung und Rassismus erkämpfen. Parteien, die sich als führende Kraft im Kampf gegen Rechts inszenieren wollen und gleichzeitig rechte Politik durchsetzen, sind nicht unsere Verbündeten, sondern unsere Gegner. Dieser Staat ist der Nährboden für den gesamtgesellschaftlichen Rechtsruck, und auch kein von ihm verhängtes Parteienverbot wird uns von unserer Aufgabe entbinden. Im neoliberalen Kapitalismus schaffen Leistungszwang, Konkurrenzdruck und Verwertungslogik ein gesellschaftliches Klima, in dem die Faschist:innen mit ihrer Hetze auf fruchtbaren Boden stoßen. Lassen wir uns nicht von ihnen spalten, sondern werden wir gemeinsam in der Öffentlichkeit, in den Vierteln und Betrieben aktiv – für ein besseres Leben für uns alle!