Stadt für alle
Für uns sind die Konflikte um Wohnen und Miete eine zentrale Klassenfrage. Denn die gesamte Arbeiter*innenklasse ist hiervon betroffen und die permanente Enteignung von oben spitzt sich immer weiter zu. Der kapitalistisch organisierte Wohnungs- und Mietmarkt hat kein Interesse für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen. Vielmehr gilt die Logik des freien Marktes, in der die Profitmaximierung der Immobilienbesitzer*innen und Investor*innen zählt. Wir möchten dieser Verwertungslogik und der neoliberalen Stadt(politik) etwas entgegensetzen - eine Stadt von unten!
Deswegen wollen wir in unseren Vierteln Gegenmacht aufbauen. Und daher sind wir auch im Mietenbündnis Freiburg aktiv, um Verdrängung und Mietenwahnsinn zu stoppen. Aber auch, um Selbstorganisation von Mieter*innen gemeinsam mit anderen Gruppen und Organisationen zu fördern.
„Mietenbündnis Freiburg – bezahlbare Wohnungen für Alle“
Das Bündnis hat sich zum Ziel gesetzt, darauf zu achten, dass die 50 % Quote für Sozialen Mietwohnungsbau in Freiburg wirklich umgesetzt wird. Darüber hinaus soll alles getan werden, um den Mietenwahnsinn zu stoppen (siehe Mietenpolitisches Manifest). Wir setzen uns zum Ziel, in einem öffentlichen Diskurs eine breite Mehrheit für dieses Programm zu gewinnen. Dabei sollen die Selbstorganisationen und die Interessensvertretungen der Mieter*innen, analog den Betriebsräten und Gewerkschaften, in ganz Freiburg gefördert werden (z.B. Mieterbeiräte mit Mitbestimmungsrechten, Genossenschaften, Syndikate, etc.). Zu erreichen sind diese Ziele nur durch das Zusammenwirken möglichst vieler gesellschaftlicher Kräfte und Organisationen, die sich in bürgerschaftlicher und solidarischer Verantwortung dieser großen Aufgabe stellen. Nur gemeinsam können wir es schaffen!
Gegen den Profitwahnsinn und seinen Mietmarkt
Etwa die Hälfte der Haushalte in Deutschland wohnt zur Miete. Wohnungsnot, Mietenwahnsinn und Verdrängung sind auch am Fuße des Schwarzwaldes längst Realität. Freiburg hat schon jetzt die vierthöchsten Mietpreise Deutschlands und auch hier in der Stadt steigen die Mieten munter. Dadurch wird die Belastung der einzelnen Haushalte immer größer. Hinzu kommt: Das Angebot stimmt nicht mit der Nachfrage überein. Weil gerade die Immobilienwirtschaft vor allem im „höheren Segment“ baut, gibt es viel zu wenig bezahlbare Wohnungen. Dieser ungedeckte Bedarf nach vergleichsweise günstigen Mieten wird immer größer. Gerade in der Mietkostenbelastung wird eine soziale Schieflage deutlich: Denn umso reicher die Menschen sind, umso weniger von ihrem Haushaltseinkommen müssen sie für ihre Miete aufwenden.
Dass der Mietmarkt nicht im Sinne der Menschen funktioniert, spüren alle, die hier in der Stadt eine Wohnung suchen. Der kapitalistisch organisierte Wohnungsmarkt ist nicht in der Lage, die Menschen mit bezahlbarem Wohnraum zu versorgen. Denn die Immobilienbranche und ihre Investor:innen sind nicht an einer sozialen Stadt und den Bedürfnissen der Bewohner:innen, sondern nur an ihren eigenen Gewinnen interessiert. Das zeigt etwa der führende Immobilienkonzern Vonovia SE, der angesichts steigender Baukosten und Bauzinsen wohl auf sein großspurig angekündigtes Neubauprogramm verzichten kann, nicht aber auf die Dividenden der Aktionär:innen - finanziert durch die Mietzahlungen der Mieter:innen. Wer bei Vonovia wohnt, weiß nur zu gut, dass die gängigen Mittel zur Profitsicherung neben den üblichen Nebenkosten-Tricksereien auch regelmäßige Mieterhöhungen sind. Doch nicht nur Vonovia mit rund 3.000 Wohnungen in Freiburg ist an steigenden Profiten interessiert – auch regionale, private Unternehmen wie Sauer Wohnbau & Immobilien GmbH oder Unmüssig mischen hier mit. Und dies oft mit menschenunwürdigen Praktiken. Es zeigt sich also: Der Wohnungsmarkt kann und will auch nicht die Bedürfnisse aller Menschen befriedigen. Geld auf dem Wohnungsmarkt zu verdienen und eine lebenswerte Stadt aufzubauen – das sind zwei grundverschiedene Dinge. Es gilt die Logik des freien Marktes, in der die Profitmaximierung der Immobilienbesitzer:innen und Investor:innen zählt, nicht das Grundbedürfnis und Grundrecht auf ein würdevolles Wohnen und Leben.
So lange Grund und Boden, Häuser und Wohnungen, „Objekte der Rendite“ sind, so lange ist der Mietmarkt nichts anderes als eine Enteignungsmaschine. Denn mehr denn je entscheidet der Besitz von Wohneigentum darüber, ob die eh schon karge Rente wenigstens ein halbwegs akzeptables Leben ermöglicht oder ob Menschen auch im hohen Alter zur Lohnarbeit gezwungen werden. Auf Märkten zählen weder Bedürfnisse noch Bedarf, sondern einzig und allein wirtschaftliche Interessen. Gemäß des Prinzips des Kapitalismus geht es darum, möglichst viel Profit zu erwirtschaften – auf Kosten der Mieter:innen. Wohnen ist daher auch eine Klassenfrage. Denn die Dividendenausschüttung für die Aktionär:innen, die auf der Arbeit der Klasse der Lohnabhängigen beruht, ist eine Enteignung. Hier findet eine Umverteilung von unten nach oben statt, die angesichts steigender Mieten immer weiter an Fahrt gewinnt. Anstatt zuzulassen, dass wir alle unter die Räder des kapitalistischen Wohnungsmarktes geraten, gilt es, die Logik von Privateigentum und Profit zurückzudrängen.
Es gibt Spielräume vor Ort, etwa indem kommunale Wohnungsunternehmen konsequent nach den Bedürfnissen der Menschen in der Stadt bauen und ihre Bestände auch so bewirtschaften. Aber auch, indem wir uns vor Ort zusammen schließen und gemeinsam aktiv werden – und dabei auch die Eigentumsfrage stellen. Denn wie Besitz und Eigentum verteilt sind, ist kein Naturgesetz, sondern kann auch kollektiv geändert werden. Wenn wir uns die Spirale der Mietpreissteigerungen anschauen, mit all ihren verheerenden Folgen wie Zwangsräumungen, Obdachlosigkeit, Verdrängung und Ausgrenzung, ist das auch bitter nötig.
Für einen wichtigen Schritt davor, hin zu einem Ende der Profitlogik in der Wohnfrage, halten wir die Rekommunalisierung. Das meint die Wiederaneignung von Wohnungen und Grundstücken durch Städte und Gemeinden, die dadurch wenigstens ein Stück weit in die Hände der Bevölkerung gelegt werden. In diesem Zusammenhang ist es schier unglaublich, dass nach den massiven Wohnbauprogrammen der 70er-Jahre eine Welle der Privatisierungen in den 90ern folgte. Das rächt sich überall dort, wo ein Großteil öffentlicher Wohnungsbestände verkauft worden ist. Nun muss diese neoliberale Privatisierungswelle samt ihrer Auswirkungen mühsam rückgängig gemacht werden. Auch in Freiburg sollten 2006 die Bestände der kommunalen Wohnungsbaugesellschaft Freiburger Stadtbau verkauft werden, was durch den Widerstand Tausender verhindert werden konnte. Sonst wäre die Situation hier in der Stadt auf jeden Fall noch schlimmer.
Langfristig geht es darum, die kapitalistische Marktlogik und ihr Eigentum zurückzudrängen und abzuschaffen. Angesichts der Auswirkungen die kapitalistische Logik auf dem Mietmarkt gilt: Auch Enteignungen sind legitim, denn Wohnen ist ein Menschenrecht! Enteignungen sollen zu einem grundlegenden Wandel der Funktion der Wohnungen führen, weg von Profitgenerierung hin zur Wohnraumversorgung. Dieser Schritt muss mit einer Vergesellschaftung einhergehen. Unter Vergesellschaftung verstehen wir die kollektive (Wieder-)Aneignung von Wohnraum, Infrastrukturen und Orten, die im Kapitalismus in privaten Händen liegen und unter dem Zwang der Verwertung stehen. Dabei geht es nicht (nur) darum, sie in städtisches Eigentum und Verwaltung zu überführen, sondern sie für die gesamte Gesellschaft zur Verfügung und unter ihre demokratische Kontrolle zu stellen. Dazu gehört auch mehr kollektive Selbstverwaltung. Vergesellschaftung ist dabei Ziel und Prozess: die gemeinsame Aneignung von Gütern und Infrastrukturen, die im Kapitalismus unter dem Diktat der Profitlogik stehen.
Für unsere langfristigen Ziele sind die Abschaffung des Kapitalismus und der Aufbau des Kommunismus notwendig. Aber auch für die Schritte in diese Richtung gilt es, Teilerfolge zu erzielen und Gegenmacht von unten aufzubauen. Wenn wir uns zusammenschließen und gemeinsam handeln, können wir der Verwertungslogik, den Immobilienkonzernen und der neoliberalen Stadt(politik) etwas entgegensetzen! Es gilt Strukturen in unseren Vierteln schaffen, in denen wir uns selbst zu Widerstand ermächtigen und Zwangsräumungen ebenso entgegentreten können wie der nächsten Mieterhöhung oder Nebenkostensteigerung.